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Filmplakat "Ich liebe alle
Frauen", UFA 1935. | Im Rahmen der
NS-Filmpropaganda hatten die Kinos die Aufgabe, für die
wirkungsvolle Inszenierung und Präsentation bis in die Provinz
sorgen. Der Kinobetreiber sollte, wie auf einer Tagung
formuliert wurde, "Wegbereiter" zum "sieghaften Film, der sich
auch den letzten Mann und die letzte Frau im deutschen Volk
erobert hat", sein. Die Kinos selbst wurden begrifflich zu
"Lichtspieltheatern" aufgewertet, der Kinobesitzer zum
"Intendant eines Volkstheaters" erklärt.
Die Situation der Lichtspieltheater während des Dritten
Reiches
Insgesamt gab es 1939 im sogenannten Altreich (ohne
Österreich und Sudetenland) 5506 Lichtspieltheater mit
mehr als 2 Millionen Sitzplätzen. Das bedeutete gegenüber der
Weimarer Zeit eine nur mäßige Zunahme.. Dagegen stiegen die
Besucherzahlen während des Dritten Reiches massiv an. Waren es
1932 noch rund 240 Millionen Zuschauer, steigerten sich die
Besucherzahl zum Spieljahr 1937/38 auf knapp 400 Millionen
Besucher. Der Anstieg setzte sich bis ins Kriegsjahr 1942
fort, als über 1 Milliarde Menschen die Kinos besuchte
(allerdings unter Einschluß Österreichs und des Sudetenlandes
und Luxemburgs). Erst danach gingen kriegsbedingt die Zahlen
wieder zurück.
Anders als im Produktions- und Verleihsektor, der von
wenigen Firmen - allen voran der Ufa - dominiert wurde, gab es
im Kinobereich überwiegend kleine, selbständige Unternehmen.
Der NSDAP war es vor der Machtergreifung nur vereinzelt
gelungen, Kinobetreiber auf ihre Seite zu bekommen. Einer
"Vereinigung nationalsozialistischer
Lichtspieltheaterbesitzer", die von den Nationalsozialisten
Oswald Johnsen und Adolf Engl ins Leben gerufen wurde, schloß
sich ebenfalls nur eine Minderheit der Kinobetreiber an.
Die Gleichschaltung der Kinos in der Reichsfilmkammer
Die Gleichschaltung der Kinos erfolgte auf Goebbels Initiative durch die neue
Institution der Reichsfilmkammer. Schon am 14. 07. 1933 per
Gesetz installiert, mußte in ihr jeder Kinobetreiber Mitglied
sein. Die Nichtaufnahme in die Filmkammer bedeutete
Berufsverbot.Die Bedingung für die Mitgliedschaft war im
Gesetz bewußt vage formuliert: "Die Aufnahme in die Filmkammer
kann abgelehnt oder ein Mitglied ausgeschlossen werden, wenn
Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der
Antragsteller die für die Ausübung des Filmgewerbes
erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt". Zuverlässigkeit
wurde vor allem auf das Bekenntnis zur nationalsozialistischen
Gesinnung oder wenigstens auf die Bereitschaft, sich dem neuen
Staat unterzuordnen, bezogen. Schon aus reinen Existenzgründen
konnte sich kein Kinobesitzer leisten, NS-Filme aus dem
Programm zu nehmen oder Kooperationen mit lokalen NS-Stellen
zu verweigern.
Beschränkung der unternehmerischen Freiheit
Die Anordnungen der Reichsfilmkammer für die
Lichtspieltheater hatten Gesetzesstatus. Für ihren Vollzug
sorgte die örtliche Polizei. Bei Zuwiderhandlung drohten
Geldstrafen oder der Entzug der Kinokonzession. Schon im
August 1933 wurde den Kinobetreibern die Freiheit zur
eigenständigen Preisgestaltung genommen. Allen Kinos wurden
verbindliche Preise für die Eintrittskarten vorgeschrieben:
Der Mindestpreis für die Kinokarte betrug jetzt 40
Reichspfennig.
Mit den Preisvorschriften verfolgte man offen politische
Ziele: Halbe Preise für Jugendliche sollten diese für
Propaganda besonders empfängliche Zielgruppe ins Kino bringen.
Preisreduktion für Erwerbslose - 10 Reichspfennig unter dem
Mindestpreis - sollte den sozialen Charakter des Nationalsozialismus öffentlich
demonstrieren und zugleich auch DAFür sorgen, daß selbst ärmere
Schichten ins Kino gelockt und damit der Filmpropaganda
ausgesetzt werden konnten. Eindeutig politisch motiviert war
auch die Möglichkeit, Angehörigen von Reichswehr, Stahlhelm,
SS und SA - sowie einer "Begleitperson
weiblichen Geschlechts" vergünstigte Kinoeintritte zu
gewähren. Die Präsenz von Partei und Formationen machte schon
optisch die Staatsnähe des Kinos deutlich. Die Illusion, im
Dunkel des Kinos entstünde eine Art partei- und diktaturfreier
Raum konnte so vermieden werden.
Programmgestaltung durch die Filmkammer
Eingeschränkt wurden die Kinobesitzer auch in der
Programmgestaltung. Bereits ab November 1934 mußten alle Kinos
im Vorprgramm einen "Kulturfilm" zeigen. Dabei handelte es
sich um Kunst- und Naturdokumentationen, sehr häufig aber auch
um Propagandafilme zur Rassenlehre, Partei und Militär. Im
September 1935 wurde dann das "Zwei-Schlager-Programm"
untersagt, also das Vorführen von mehr als einem Hauptfilm.
Damit konnten vor allem amerikanische Kurzspielfilme aus dem
Programm gedrängt werden. Die Wochenschau, vor allem im Krieg
wichtiges Propagandainstrument, wurde nun für jeden Kinoabend
verbindlich. Damit kein Kinobesucher dieser offiziellen
NS-Propaganda entgehen konnte, durften die Kinos niemand mehr
nach der Wochenschau, also etwa erst zum Beginn des
Hauptfilmes, einlassen. Verboten waren deswegen auch Pausen
zwischen Wochenschau und Hauptprogramm.
Die beim Publikum beliebten heiteren Kurzspielfilme, häufig
Zeichentrick- und Wildwestpossen aus amerikanischer
Produktion, wurden bereits im September 1934 auf eine
Gesamtlänge von 900 Meter beschränkt. Waren Kulturfilm und
Hauptfilm schon länger, blieb DAFür kein Platz mehr, da kein
Kinoprogramm insgesamt mehr als 3200 Meter lang sein
durfte.
Ähnlich restriktiv waren die Vorschriften zur Kinowerbung
vor Ort. Grundsätzlich mußten Reklametext und Reklameplakate
von der Zensur genehmigt werden. Kinobesitzer, die hier zu
reißerische oder sonst den NS-Behörden nicht genehme Werbung
betrieben, riskierten Berufsverbot. Im September 1934 ließ der
Präsident der Reichsfilmkammer dazu erklären: "Wer als
deutscher Filmtheaterleiter (...) mit solchen Werbemethoden
seine Mißachtung vor dem Kulturgut deutscher Filmkunst zum
Ausdruck bringt, schließt sich selbst aus der Reichsfilmkammer
aus."
Weitere Anordnungen schrieben den Kinos Presseankündigungen
und Werbetexte vor, verlangten, wie der Titel eines Filmes zu
bewerben sei, bestimmten, welche Kinoprogramme wo im
Kinobereich auszulegen sei. Dann gab es Vorschriften, die
Verkauf von Lebensmitteln, Süßigkeiten und anderen Waren im
Kinogebäude reglementierten. Die Reichsfilmkammer übernahm
auch die Schulung der Kinobetreiber und richtete DAFür eigene Fachschulen ein. Diese
sollten, "fachliches, kulturelles und technisches Wissen auf
der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung
vermitteln."
Das Lichtspieltheater als nationalsozialistischer
Kultort
So wie der Nationalsozialismus sich als politische
Heilslehre sah, bekam das Lichtspieltheater geradezu kultische
Bedeutung. Der Kinobesuch, insbesondere bei der Vorführung
"staatspolitisch wertvoller" Filme, wurde zum Ritual. Die
Kinos wurden an der Außenfassade mit großen Hakenkreuzfahnen
und anderen NS-Symbolen geschmückt. Der Bühnenraum rechts und
links der Leinwand mit Blumenschmuck und wieder
Hakenkreuzsymbolen versehen. Nicht selten wurde im
Eingangsbereich der Kinos ebenfalls Hakenkreuze angebracht
oder Hitlerbüsten positioniert.
Vor der eigentlichen Filmvorführung spielten dann häufig SA- oder HJ-Kapellen Märsche. Daraufhin
folgten Reden eines lokalen NS-Führers. Am Ende einer
Filmvorführung wurde kollektiv ein Lied gesungen, die
Nationalhymne, das Horst-Wessel-Lied oder andere Lieder der
"Bewegung".
Zweck vieler Propagandafilme war, dabei den Zuschauer
regelrecht zum Miterleben und Nachvollziehen des Geschehens
auf der Leinwand zu machen. Das zeigt sich besonders beim wohl
berüchtigtsten Propagandafilm des Dritten Reiches, dem
Parteitagsfilm "Triumph des Willens von 1935. War der
Parteitag selbst schon so etwas wie ein religiöses Ritual
konzipiert, sollte der Kinofilm die Zuschauer zu
nachträglichen Mitteilnehmers des Parteitags gemacht werden.
Dazu wurde im Film die Perspektive aus der Sicht des
Handelndens übernommen. Der Zuschauer sieht aus der
Perspektive des "Führers" auf seine Formationen herab und vor
allem vom Kinosessel blickt der Zuschauer nach oben auf den
Führer: Eine süddeutsche Zeitung schreibt: "Man ist dabei dem
Führer so nahe, wie sonst nur die Vertrautesten seiner
Umgebung. Ein Lächeln spielt um seinen Mund, wenn er auf das
wogende Feld seiner Jugend blickt, blitzender Ernst spricht
aus seinen Augen, wenn er dann den Triumph des Willens der
Bewegung feststellt."
Zu diesem Konzept der Lichtspieltheater als Kultorte passt
auch, daß vielfach gerade in konfessionell geprägten Gegenden
in bewußter Konkurrenz zu parallelen Gottesdiensten
Filmmorgenfeiern veranstaltet wurde.
" Arisierung" der Lichtspieltheater
Zunächst war es Juden auch nach 1933 möglich, Kinos zu
betreiben. Die Mitgliedschaft in der Reichsfilmkammer setzte
weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch Zugehörigkeit zur
"arischen" Rasse voraus. Doch mußte bereits 1933 jedem Antrag
auf Mitgliedschaft in der Reichsfilmkammer ein Abstammungsnachweis beigefügt werden.
Damit wurden alle jüdischen Kinobetreiber erfaßt - Grundlage
der späteren " Arisierung".
Auftakt dazu bildete der reichsweite Boykott jüdischer
Geschäfte im April 1933. Vorgeblich als Reaktion auf negative
ausländische Berichte gegen die neue NS-Regierung,
marschierten überall im Reich Formationen von SA und Partei vor jüdischen Geschäften
auf. Sie verhinderten für einige Stunden den Zugang, sofern
die Geschäfte nicht schon von sich aus geschlossen hatten.
Hauptziel des Boykotts waren jüdische Warenhäuser. Es waren im
ganzen Reich aber auch Kinos betroffen. Das Signal war klar:
Juden waren künftig auch als Kinobetreiber unerwünscht. Zu
solchen Protesten gegen jüdische Kinobetreiber kommt es auch
in den folgenden Jahren immer wieder. Initiativ werden dabei
meisten die lokalen NS-Organisationen. Solchermaßen unter
Druck gesetzt geben zahlreiche jüdische Kinobetreiber bereits
in den Jahren 1933 bis 1935 auf.
Mit dem Nürnberger Rassegesetzen von 1935 verloren die
Juden in Deutschland auf einen Schlag ihre Staatsangehörigkeit
und alle damit verbunden Rechte. Da jedoch für den
obligatorischen Filmvorführschein in der Regel die deutsche
Staatsangehörigkeit erforderlich war, konnten jüdische
Kinobetreiber auch kaum noch Nachwuchs heranbilden. Der
endgültige Ausschluß der Juden erfolgte nach dem
Novemberpogrom der " Reichskristallnacht" 1938. Mit der wenige
Tage danach erlassenen "Verordnung zur Ausschaltung der Juden
aus dem deutschen Wirtschaftsleben" wurde Juden praktisch jede
wirtschaftliche Betätigung untersagt.
Daß am 12. 11. 1938 Goebbels in seiner Eigenschaft als
Reichskulturkammerpräsident den Juden auch noch den Besuch
jeder kulturellen Veranstaltung der Reichskulturkammer und
damit auch den öffentlichen Lichtspielaufführungen untersagte,
mutet demgegenüber schon beinahe wie eine Randnotiz an. Zuvor
schon hatten einzelne Kinos von sich aus Juden den Kinozutritt
verwehrt, so das in Weimar, Darmstadt und anderen Städten.
Das Endziel: Verstaatlichung der Kinos
Letztes Ziel der NS-Kinopolitik war die komplette
Verstaatlichung der Filmwirtschaft unter Einschluß der
Lichtspielhäuser. In einem ersten Schritt dazu wurde die
Gewerbefreiheit im Kinobereich dahingehend eingeschränkt, daß
die Eröffnung neuer Kinos direkt von der Reichsfilmkammer
genehmigt werden mußte. Mit der "Anordnung über Neuzulassung
von Lichtspieltheatern und gewerblichen Wandervorführern" vom
4. September 1934 war die Neueröffnung von Lichtspieltheatern
im Grundsatz zunächst untersagt. Lediglich der Präsident der
Reichsfilmkammer konnte - auf Empfehlung regionaler
Kammergliederungen Ausnahmen zulassen, wenn ein "besonderes
Bedürfnis" vorliegt. Eine zu große Konkurrenz unter den
Filmvorführbetrieben, das hatte man in Großstädten erfahren,
führte leicht dazu, daß das Kinopublikum unter Umständen die
politisch gewünschten Propagandafilme mied und in parallel
angebotene Unterhaltungsfilme auswich. Eine solche Entwicklung
wollte man, wo immer möglich, vermeiden. Große Propagandafilme
ließen sich vor Ort als tagelanges, mitunter wochenlanges
Kinogroßereignis inszenieren, das ein Großteil der
potentiellen Kinogänger zu sehen bekam - notfalls aus Mangel
an Alternativfilmen.
Nachdem bis 1941/42 durch verdeckte Ankäufe praktisch der
ganze Bereich der Produktion und des Verleihs in staatlichen
Besitz gelangt war, wurde dieses Ziel ausdrücklich auch für
die Kinos verfolgt. Diese sollten allerdings nicht in den
Reichsbesitz übergehen, sondern von den NS-Kommunen aufgekauft
werden. Eigens zum Zwecke, Kinos in den Staatsbesitz zu
bekommen wurde die reichseigene "Deutsche
Filmtheater-Gesellschaft" (DFT) gegründet. Kommunen wurden
aufgefordert, selbst Kinos zu betreiben, aufzukaufen oder bei
der Überführung in die DFT zu helfen. Noch im Herbst 1944
wurden vom "Deutschen Gemeindetag" vorbereitete
Vertragsformulare verschickt. Allerdings wurde die
Kommunalisierung der Kinos nur im Ansatz durchgeführt. Offene
Enteignungen - außer im Falle von Juden - schienen politisch
nicht opportun und die Kommunen scheuten in der Regel den
organisatorischen und finanziellen Aufwand, der mit Kauf und
Betrieb von Kinos verbunden war.
Autor: Dr.
Bernd Kleinhans
Literatur
Albrecht, G.: Nationalsozialistische Filmpolitik, Stuttgart
1969.
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München
1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus
Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge,
Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Genschel, H.: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft
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(Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 38)
Kleinhans, Bernd: Ein Volk, ein Reich ein Kino. Lichtspiel in der
braunen Provinz, Köln 2003
Klimsch, G.-W.: Die Entwicklung des nationalsozialistischen
Filmmonopols 1930 - 1940, Diss. München 1954.
Kreimeier, K.: Die Ufa-Story. Geschichte eines
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Kullmann, M.: Die Entwicklung des deutschen
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Stahr, G.: Volksgemeinschaft vor der Leinwand? Der
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2001.
Wulf, J.(Hg.): Theater und Film im Dritten Reich. Eine
Dokumentation, Gütersloh 1964. |