„Sicher wird [...] der Jude in seinen Zeitungen ein
gewaltiges Geschrei erheben, wenn sich erst einmal die Hand
auf sein Lieblingsnest legt, dem Presseunfug ein Ende macht,
auch dieses Erziehungsmittel in den Dienst des Staates stellt
und nicht mehr in der Hand von Volksfremden und Volksfeinden
beläßt“ ( Hitler, „ Mein Kampf“, 1943, S. 269). Ganz
ähnlich wie Hitler und nicht weniger deutlich beschrieb Goebbels als das Ziel seiner
Propagandapolitik, „daß die Presse so fein organisiert ist,
daß sie in der Hand der Regierung sozusagen ein Klavier ist,
auf dem die Regierung spielen kann“ (zit. nach Wulf 1983, S.
64f.).
Presselenkung auf drei Ebenen
So befremdlich die obigen Zitate auch wirken mögen, mit
ihnen sind bereits wesentliche Aspekte der Presselenkung im
Dritten Reich angesprochen. Denn nach der Machtergreifung gestalteten die
Nationalsozialisten das Pressewesen weitreichend um,
angestrebt war die Monopolisierung und Beherrschung der
öffentlichen Kommunikation: Im Dienste der Propaganda sollte
die Presse in erster Linie dem Regime zur Verwirklichung
innen- und außenpolitischer Ziele nützlich sein. Möglich wurde
dies durch eine Presselenkung auf drei unterschiedlichen
Ebenen: rechtlich, wirtschaftlich und inhaltlich (vgl.
Toepser-Ziegert 1984, 23).
Die rechtlich-institutionelle Ebene
Schon in der Weimarer Republik gab es die sogenannten
Pressenotverordnungen, die in den Krisenjahren 1931 und 1932
erlassen wurden: Zeitungen, deren Artikel nach Ansicht des
Staates die öffentliche Ordnung gefährdeten, konnten danach
bis zu acht Wochen verboten werden. Auch der Völkische
Beobachter, der sich im Untertitel als „Kampfblatt der
nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands“
bezeichnete, wurde bis 1933 vierunddreißigmal für längere oder
kürzere Zeit aus dem Verkehr gezogen.
Sofort nach der Machtergreifung erließen die
Nationalsozialisten weitere Notverordnungen, die es ihnen
ermöglichten, linksgerichtete und demokratische Zeitungen zu
belangen. Den Anfang machte im Februar 1933 die Notverordnung
„Zum Schutz des deutschen Volkes“. Diese nahm zunächst weitere
Eingriffe in die Presse- und Versammlungsfreiheit vor, u.a.
finden sich hier auch detaillierte Anleitungen für Begründung
und Durchführung des Verbots von Presseerzeugnissen.
Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand wurde die Verordnung „Zum
Schutz von Volk und Staat“ (28.2.1933) erlassen, welche nun
alle suspendierbaren Grundrechte außer Kraft setzte: die
Freiheit der Person, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die
Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit sowie die
Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernsprechgeheimnisses
(vgl. Pürer 1994, S. 68).
Doch diese Maßnahmen gingen dem Regime immer noch nicht
weit genug. Das Schriftleitergesetz, am 4.10.1933 vom Kabinett
verabschiedet, „verbeamtete“ nun den Beruf des Journalisten,
indem es ihn in die Pflicht des Staates nahm und die Zulassung
zu den bisher freien journalistischen Berufen reglementierte:
Schriftleiter (also Journalist) konnte nur werden, wer in der
Berufsliste der Reichspressekammer (eine Art berufsständische
Zwangsorganisation als Teil der Reichskulturkammer)
eingetragen war. Auf diese Weise verfügten die
Nationalsozialisten über ein wirksames Instrument zur
Vorzensur. Denn zur Aufnahme in die Liste mußte der „Bewerber“
zunächst eine einjährige Berufsausbildung absolvieren und
zudem Eigenschaften wie „politische Zuverlässigkeit“ und
arische Abstammung aufweisen. Juden konnten damit von
vornherein den Beruf nicht mehr ausüben, durch das Gesetz
verloren etwa 1300 Journalisten ihre Arbeit. Eine Streichung
aus der Liste kam einem Berufverbot gleich. Sie wurde
beispielsweise dann verhängt, wenn sich ein Schriftleiter
nicht an die inhaltlichen Vorgaben gehalten hatte, die das
Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
angeordnet hatte. Dieses Ministerium, gegründet am 13.3.1933
mit Goebbels als Präsidenten, hatte sich
„schlechthin um alle Gebiete zu kümmern, auf denen eine
geistige Einwirkung auf die Nation möglich war“ (Abel, 3). So
wurden hier die täglichen Pressekonferenzen der
Reichsregierung abgehalten, in denen bis in alle Einzelheiten
gehende Anweisungen und Verbote bezüglich der
Berichterstattung ausgesprochen wurden. Doch dies betrifft
bereits die inhaltliche Presselenkung.
Die inhaltliche Ebene
 |
Die Rolle der
gleichgeschalteten Presse in der NS Diktatur. Eine
Anzeige im "Lichtenfelster Tagblatt".
| Neben der täglichen Pressekonferenz
der Reichsregierung dienten noch einige andere Strategien der
inhaltlichen Lenkung. So wurden 1934 die einzigen
Nachrichtenagenturen „Wolffsches Telegraphen-Büro“ und
„Telegraphen Union“ zum staatlichen „Deutschen
Nachrichtenbüro“ vereinigt. Gelegentlich formulierte Goebbels hier selbst Nachrichten, die
dann zu Auflagenmeldungen, also gezwungenen Meldungen, gemacht
wurden. Für die Verbreitung von Nachrichten des DNB (im
Volksmund bald als „Darf Nichts Bringen bezeichnet) wurden
verschiedene Geheimhaltungsstufen eingeführt, die sich über
mehrere Stufen von „unbedenklich“ bis hin zu „streng geheim“
erstreckten: So wurden nicht nur Nachrichten, sondern auch
bestimmte Argumentationsanweisungen (wie beispielsweise für
Kommentare oder Glossen), Details über Plazierung und
Aufmachung bestimmter Themen oder auch Propagandakampagnen
verbreitet. Die als „streng geheim“ eingestuften Informationen
waren nur für höchste Funktionäre wie Minister, Reichs- und
Gauleiter und einzelne „handverlesene“ Journalisten bestimmt.
Immer wieder kam es vor, daß einzelne Journalisten sich
nicht in ihrer Berufsausübung derart beeinträchtigen lassen
wollten und daher nach Wegen suchten, zumindest die
inhaltliche Lenkung (soweit es möglich war) zu umgehen. So
bestand eine Strategie darin, die Weisungen bewußt falsch
auszulegen oder Mißverständnisse geschickt auszunutzen. Vor
diesem Hintergrund führte das Propagandaministerium noch vor
Kriegsbeginn die wörtlich fixierte „Tagesparole“ ein. Diese
war von Tageszeitungen verbindlich in die jeweils aktuelle
Ausgabe zu übernehmen und ließ in ihrer Schärfe keinen Raum
mehr für Ausweichmöglichkeiten: „Noch einmal wird an die
Judenfrage erinnert, wie dies jetzt täglich geschehen wird.
Das Thema darf nicht wieder fallengelassen werden, ehe die
Frage nicht endgültig geregelt ist. [...] Wie kann man z.B.
zum Antikominternpakt schreiben, ohne die Rolle des Juden im
Bolschewismus auch nur zu erwähnen?“ (25.11.1938, zit. nach
Frei, 31)
Die ökonomische Ebene
Die Zeitungen der Weimarer Republik hatten bereits ab 1928
mit größeren finanziellen Problemen zu kämpfen. Die
Wirtschaftskrise steigerte die ökonomische und damit auch die
politische Abhängigkeit der Verlage, verstärkte den
Konzentrationsprozeß der Presse und schwächte vor allem die
demokratischen und liberalen Blätter in quantitativer wie
qualitativer Hinsicht. An die Macht gekommen, konnte das
Regime die verblieben liberalen und demokratischen Zeitungen
(neben den bereits erwähnten Pressenotverordnungen) auch durch
die materielle Aneignung der Verlage in die Enge treiben.
Durch Zeitungsaufkäufe und -übernahmen, sowie der
nachträglichen Beschlagnahmung von „KPD-Organen“, später auch
unter dem Deckmantel verschiedener Anordnungen, wie die
„Skandalpresse“ zu beseitigen, wurde unter Federführung von
Max Amann ein NS-Pressetrust errichtet, der ca. 80 Prozent -
etwa 150 Verlage mit 35.000 Beschäftigten - der damaligen
Presse umfaßte. Ab 1937 wurde zudem das Zeitungspapier
kontingentiert, so daß auch die Auflagenhöhe unliebsamer
Publikationen, die nicht im Besitz der Nationalsozialisten
waren, kontrolliert werden konnte.
Lenkungswirrwarr
|
Entnommen aus:
Abel, Karl-Dietrich: Presselenkung im NS-Staat. Berlin
1968, Seite 108f. Eine vergrößerte Darstellung finden
Sie hier. | Nun mag
bisher der Eindruck entstanden sein, die Presselenkung im
Dritten Reich sei lückenlos gewesen. Es gilt jedoch an dieser
Stelle einen Punkt zu berücksichtigen, der bisher nicht
erwähnt wurde. Überschneidungen der Kompetenzbereiche führten
zu einem „Lenkungswirrwarr“ (siehe dazu auch die Grafik):
Goebbels war gleichzeitig
Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda
(Staatsorganisation), Reichspropagandaleiter der NSDAP (Parteiorganisation) und
Präsident der Reichskulturkammer (Berufsorganisation). Otto
Dietrich war seinerseits Reichspressechef
(Parteiorganisation), hatte damit unmittelbaren Kontakt zu Hitler und war auf Parteiebene Goebbels
gleichgestellt. Innerhalb der Reichskulturkammer
(Berufsorganisation) war aber Goebbels wiederum sein
Vorgesetzter. Max Amann war dagegen Reichsleiter für die
Presse der NSDAP (Parteiorganisation) und Goebbels wie
Dietrich auf dieser Ebene gleichrangig. Als Präsident der
Reichspressekammer (Berufsorganisation) war Goebbels (als
Präsident der übergeordneten Reichskulturkammer) zwar dann
zunächst Amanns Vorgesetzter. Da Amann im Eher-Verlag jedoch
auch u.a. Goebbels´ Bücher verlegte, und Goebbels von ihm
nicht unerhebliche Honorare bezog, war Goebbels in gewisser
Weise wiederum von Amann abhängig. So verwirrend dies im
Detail auch sein mag, feststellen läßt sich, daß es damit
allein auf Parteiebene drei Reichsleiter mit Medienkompetenzen
gab, deren Zuständigkeitsbereiche sich mehrfach überschnitten.
Persönliche Animositäten, gegenseitige Abhängigkeiten und
Machtkämpfe führten damit oft zu Verwirrung, wenn sich
beispielsweise Weisungen von verschiedenen Stellen
widersprachen.
Fazit
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Existierten
1932 noch 4703 Zeitungen, so waren 1944 nur 977
übriggeblieben, davon 352 im Besitz der NSDAP. Die Gesamtauflage aller
Zeitungen betrug dabei etwa 25 Millionen, der Anteil der
nationalsozialistischen Presse lag dabei mit rund 21 Millionen
Exemplaren bei etwas mehr als vier Fünfteln. Schätzungen gehen
davon aus, daß in den 12 Jahren der NS-Herrschaft etwa 80.000
bis 100.000 inhaltliche Anweisungen an die Presse ergangen
sind. Bereits nach einem Jahr nationalsozialistischer
Pressepolitik war die Zeitungslandschaft fast durchgängig zu
einem braunen Einheitsbrei verkommen. In seiner zynischen Art
hatte Goebbels aber auch DAFür sofort eine Erklärung parat:
„Ein- oder zweitönig ist der, der die Presse schreibt. Wenn
also die Herren Journalisten sich heute in gelehrten
Leitartikeln darüber unterhalten, woher es denn eigentlich
komme, daß die Presse so eintönig ist, dann sollten sie doch
nicht sagen, warum die Presse so eintönig ist, sondern sie
sollen sich die Frage vorlegen, warum sie so langweilig
geworden sind“ (zit. nach Frei, 34).
Autor: Christian
A. Braun
Literatur
Abel, Karl-Dietrich: Presselenkung im NS-Staat. Berlin
1968
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München
1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge,
Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Frei, Norbert: Journalismus im dritten Reich. München
19892
Hagemann, Jürgen: Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn
1970
Müller, Hans Dieter (Hrsg.): Facsimile Querschnitt durch
Das Reich. München u.a. 1964
Noller, S./v. Kotze, H. (Hrsg.) (o.J.): Facsimile
Querschnitt durch den Völkischen Beobachter. München.
Pürer, Heinz / Raabe, Johannes: Medien in Deutschland. Band
1: Presse. München 1994
Toepser-Ziegert, Gabriele: NS-Presseanweisungen der
Vorkriegszeit : e. Einf. in ihre Edition / Gabriele
Toepser-Ziegert. [Hrsg. von Hans Bohrmann]. - München ; New
York ; London ; Paris: Saur, 1984. (NS-Presseanweisungen der
Vorkriegszeit ; Bd. 1.)
Wulf, Josef: Presse und Funk im Dritten Reich. Eine
Dokumentation. Frankfurt u.a.
1983 |